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Die Mundarten des Saarlandes

 

 


Inhalt dieser Seite: 

 

 

 

 

 

1) Vorbetrachtung

2) Die saarländischen Mundarten aus der Sicht der fünfziger Jahre

3) Ausgewählte Mundartwörter aus dem Saarland

4) Mundarttexte

5) Buchbesprechung (Georg Fox "Saa was de willschd. Mundart-Kolumnen."

    (und ein Beispiel daraus: "Flasche lääre" in Schriftform und als Tondokument)  


 

1) Vorbetrachtung

 

"Die" saarländische Mundart gibt es nicht. Es gibt deren mehrere. Viele Orte im Saarland haben ihren eigenen Dialekt, der von demjenigen anderer Orte und sogar schon von dem ihrer direkten Nachbarorte mehr oder weniger stark abweichen kann. In manchen Städten gibt es sogar Unterschiede innerhalb einzelner Stadtteile. So spricht man z.B. in der Neunkircher Unterstadt (Zentrum) bestimmte Laute und Wörter anders aus als in der Oberstadt (Scheib und Steinwald).

 

Die im Saarland gesprochenen Mundarten gehören zu zwei großen Dialektgruppen, nämlich zum Moselfränkischen einerseits, und andererseits zum Rheinfränkischen. Die Sprachräume der beiden Gruppen werden durch die so genannte "dat-/das-Linie" voneinander getrennt (siehe die Abbildungen rechts und die drei Karten weiter unten auf dieser Seite mit den Nummern 1 und 3)

 

Diese Linie verläuft im Saarland schräg von SW nach NO, überquert zunächst die Saar bei Völklingen, läuft dann nördlich von Saarbrücken an der alten Grafschaftsgrenze entlang und das Köllertal hinauf in die Tholeyer Gegend bis zur mittleren Nahe, siehe nächstes Bild.

 

Nordwestlich dieser Linie liegen im Saarland Städte und Orte wie Perl, Nennig, Mettlach, Merzig, Wadern, Weiskirchen, Losheim, Nunkirchen, Schmelz, Lebach, Dillingen und Saarlouis. Dies ist der moselfränkische Mundartbereich des Saarlandes. Südöstlich der Linie liegen z.B. Völklingen, Püttlingen, Saarbrücken, Dudweiler, Sulzbach, St. Ingbert, Neunkirchen, Ottweiler, Bexbach und Homburg. Hier werden Mundarten gesprochen, die dem Rheinfränkischen zuzuordnen sind. Da in diesem Gebiet die meisten Einwohner des Saarlandes leben, wird im übrigen Deutschland diese Mundart-Variante gemeinhin als "der" saarländische Dialekt angesehen. Sie wird ja auch von vielen bundesweit bekannten Saarländern gesprochen, wie z.B. von der Kunstfigur Heinz Becker (dargestellt von Gerd Dudenhöffer).

 

Da sich diese Website mit einer bestimten Epoche unseres Landes befasst (nämlich den späten 40er- und den 50er-Jahren), würde es deren Rahmen sprengen, hier eine ausführliche Abhandlung über alle saarländischen Mundarten aufzunehmen. Darüber finden Sie in der Literatur und im Internet zahlreiche Veröffentlichungen (siehe die diesbezüglichen Hinweise am Ende dieser Seite).

 

Nur eine Entwicklung soll hier erwähnt werden, weil sie auch in den 50er-Jahren schon von Bedeutung war. Die Trennung unserer Mundarten durch "Wortlinien" (wie die dat-/das-Linie) war früher viel schärfer ausgeprägt als heute. Damals konnte man ihren Verlauf ziemlich genau zwischen verschiedenen Ortschaften und in manchen Orten sogar innerhalb einzelner Straßenzüge verfolgen. Inzwischen sind diese Grenzen eher verwischt und unscharf geworden. Grund dafür dürfte die Tatsache sein, dass die Menschen seitdem mobiler geworden sind und sich damit auch die Mundarten in den Grenzbereichen zunehmend vermischt haben.

 

Bildnachweis zum Farbbild oben rechts:  Ausschnitt aus der Datei "Das-dat-linie.png‎, derivative Arbeit von Roßbacher", die unter der Creative Commons-Lizenz "Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported" lizenziert ist; siehe http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de 

 

Eine kurze Abhandlung über die saarländische Volkssprache aus der Sicht der 50er-Jahre folgt weiter unten im Abschnitt 2).

 

 

Ein Wort zur Schreibung der saarländischen Mundart

 

Für die anderen deutschen Mundarten gibt es unseres Wissens keine standardisierte Schriftsprache. Für die saarländischen Mundarten hat Edith Braun eine lautgerechte und konsequente Schreibweise vorgeschlagen, die sie in ihrem Saarbrücker Wörterbuch [1] darstellt. Sie verwendet sie auch in ihren anderen regionalen Wörterbüchern und sonstigen Publikationen. Auch andere Mundartautoren legen sie ihren Veröffentlichungen zu Grunde, vor allem die Autoren, die dem Mundartring Saar e.V. angehören; wie z.B. Georg Fox, von dem Sie eine lustige Mundartgeschichte über die 50er Jahre unten im Abschnitt 2 lesen und/oder sich anhören können. Andere Mundartschreiber, wie z.B. Gerhard Bungert, bevorzugen eine weniger streng reglementierte Schreibung [2].

________________________

 

[1] Edith Braun. Max Mangold. Saarbrücker Wörterbuch. Saarbrücker Druckerei und Verlag. Saarbrücken, 1984. S. 9 bis 36.

[2] Siehe Gerhard Bungerts Mundart-Bücher, besonders sein Werk Saarländisch  -  So schwätze unn so schreiwe mir (siehe auf unserer Seite Buchbesprechungen an dritter Stelle).

 

Weiter unten im Abschnitt 3) finden Sie einige (wenige) Beispiele für Ausdrücke in saarländischer Mundart.

 

Eine Art online-Wörterbuch mit Hunderten von saarländischen Mundartwörtern und -ausdrücken (in der rheinfränkischen Version - so wie es in Saarbrücken gesprochen wird) finden Sie auf "Stefans Internetseiten" von Stefan Oemisch: Sie enthalten zahlreiche Mundart- ausdrücke in "Saarbrigger Platt", mit Erläuterungen.

 

Frau Dr. Edith Braun war viele Jahrzehnte lang die saarländische Mundart-Expertin. Sie hat sich um die Pflege und Erhaltung der saarländischen Mundarten gekümmert und mehrere Bücher dazu herausgegeben [siehe unten auf dieser Seite]. Viele Saarländer haben ihre wöchentliche Kolumne in der Saarbrücker Zeitung gerne gelesen und sich an ihr beteiligt. Als Anwältin unserer Mudderschbròòch hat sie sich tief in das Gedächtnis vieler ihrer Landsleute eingegraben. 2006 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Sie starb am 14. Oktober 2016 im Alter von 95 Jahren. Am 12. November 2016 fand eine bewegende Trauerfeier im Großen Sendesaal des SR unter der Leitung von Susanne Wachs statt.  (Foto: R. Freyer am 15.6.2016 im Literaturarchiv Dudweiler)    

 

Wenige Tage zuvor war auch Frau Dr. Brauns Tochter Evelyn Treib gestorben, die sich ebenfalls viele Jahre lang intensiv mit der saarländischen Mundart befasst hattr.   

 

 

2) Die saarländischen Mundarten aus der Sicht der fünfziger Jahre

 

Im Folgenden geben wir eine kurze Übersicht über die saarländische "Volkssprache" wieder, die in der Schulpost Nr. 10 vom Juni 1953 veröffentlicht wurde. Diese Monatszeitschrift war für Schüler der "oberen Volksschulklassen" bestimmt; deren Eltern konnten sie zum Einzelpreis von 35 Franken je Ausgabe beziehen. Der Artikel gibt den Kenntnisstand der 50er-Jahre wieder. Inzwischen ist die Forschung über unsere Mundarten weit vorangeschritten. Dazu haben Prof. Max Mangold, Dr. Edith Braun, Ulrike Demske und andere Mundartforscher beigetragen. Für eine umfassende Darstellung des Themas nach dem heutigen Stand empfehlen wir die hier ganz unten angegebenen Literaturhinweise. Auch der Artikel "Dialekte im Saarland" bei wikipedia bietet interessante Einblicke in dieses Thema.

 

Der besseren Lesbarkeit wegen geben wir den Schulpost-Artikel hier unten in einer übersichtlicheren Form als im Originalheft wieder; wir haben auch einige Korrekturen eingefügt. Wer den Text verfasst hat, lässt sich nicht sicher feststellen. Nach einer im Heft abgedruckten Liste von Mitarbeitern könnte es der damalige Mittelschullehrer H. Diehl aus Güdingen gewesen sein. - Die Fragen und "Arbeitsaufträge" im Text waren zwar für die damaligen Schüler bestimmt, aber Sie dürfen sich gerne davon angesprochen fühlen!

 

 

Hinweis: In dem hier unten wiedergegebenen Teil a) ist mit "Sprachgrenze" nicht die weiter oben beschriebene dat-/das-Linie oder eine andere Wortlinie gemeint, sondern die Grenze zwischen der deutschen und der französischen Muttersprache. Es wird erläutert, dass diese Grenze nicht entlang der Staatsgrenze verläuft, sondern in einiger Entfernung von ihr auf französischem Gebiet, denn auch die lothringische und die elsässische Mundart gehören zum deutschen Sprachbereich. Im Teil b) werden dann anhand der weiteren Kärtchen die Wortlinien beschrieben, die die einzelnen Mundart-Variationen voneinander abgrenzen. Für das Gebiet des Saarlandes sind nur die dat-/das-Linie und die Haus-/Huss-Linie von Belang; die ebenfalls genannten Appel-/Apfel- und fescht-/fest-Linien verlaufen außerhalb unseres Landes.

 

    ↓

    

 

       

      

Bezeichnungen für Gegenstände, die in Frank-

 

 


 

 

3) Einige (wenige) ausgewählte Mundartwörter aus dem Saarland

 

(nur mool so tsum Beischbiel...)

 

In der Saarbrücker Zeitung erklärte die Autorin und Expertin für saarländische Mundarten, Edith Braun, viele Jahre lang jeden Samstag in ihrer Rubrik "Unsere Mundart" Mundartwörter und Redewendungen und beantwortete Anfragen ihrer Leser. Eine alphabetische Aufstellung vieler saarländischen Mundart-Wörter finden Sie in den Wörterbüchern von Edith Braun (und anderen Autoren, siehe unten in unserem Literaturverzeichnis!) und online auf "Stefans Internetseiten" von Stefan Oemisch: Diese enthalten zahlreiche Mundartausdrücke in "Saarbrigger Platt" mit Erläuterungen:

 

Hier wollen wir lediglich - beispielhaft und ohne System - einige wenige Wörter erläutern, die uns in der letzten Zeit aufgefallen sind, und die man im Saarland oft hört. (Weitere Vorschläge von unseren Lesern sind willkommen!  > Kontakt)

 

(Hinweis: Die Betonung der Wörter liegt auf derjenigen Silbe, deren Vokal (oder Diphthong [z.B. ei oder au]) unterstrichen ist.)

 

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Beigeplädschde: in unser Land Zugezogene

 

beischlääfe - hat nichts mit Beischlaf zu tun, sondern bedeutet: (her)beischleppen, also heranbringen.

 

Bettsäächer - Löwenzahn (wörtliche hochdeutsche Übersetzung: jemand, der ins Bett macht. Der saarländische Ausdruck entstand wohl deshalb, weil der Genuss von Löwenzahnsalat den Harndrang fördern soll. Und saarländisch "sääsche" bedeutet pinkeln (urinieren). - Hierzu schickte uns Christian Klein aus "Dengmert City" (so sagt er zu St. Ingbert) folgende Geschichte:

Mein Großvater wohnte nahe des Grenzübergangs bei Jägersburg und hat dort gerne im Frühjahr am Bahndamm Bettsäächer für die Familie gestochen. Dies beobachtete eines Tages ein Grenzbeamter aus dem Reich und sprach ihn an, ob er Hasen besitze (weil diese gerne solche Pflanzen fressen) - er verneinte dies und erklärte, dass er den Bettsäächer für seine Familie sammele und zum Mittagessen zubereiten werde. Daraufhin schaute der deutsche Grenzer ganz verdattert und griff in seine Hosentasche, um seinen Geldbeutel herauszuholen, er überreichte daraus einen Schein an den Opa und sagte: "Kaufen Sie für sich und Ihre Familie mal etwas Anständiges zu essen!" Der Großvater bedankte sich daraufhin artig und freute sich über das unerwartete Geschenk, setzte aber seine Ernte anschließend unbeeindruckt weiter fort. - Der Erzähler dieser Geschichte merkt noch an, dass er bei seinem Arbeitgeber in Homburg (Gerlach-Werke) beruflich viel mit "Reichsdeutschen" zu tun hatte und diese auch immer gerne zu sich nach Hause zur Bettsäächer-Party (Löwenzahn sammeln, putzen, zubereiten und mit Broodgrumbeere [siehe weiter unten] essen) eingeladen habe - das sei immer ein großer Erfolg gewesen und die saarländische Missionierung der Beigeplädschde [siehe weiter oben] habe gut funktioniert.

 

Biddschesbudder: Margarine, die nicht in Würfeln verpackt war, sondern mit hölzernen Abstechern aus Pressstoffwannen (oder Büttchen, in Mundart "Biddscher") herausgehoben und lose verkauft wurde - siehe unsere Seite Saarländische Produkte unter B) Margarine (dort shen Sie auch Bilder dazu)!

 

Brennje - "Protokoll" (polizeiliches Verwarnungsgeld bei kleineren Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr) - kommt vielleicht von "Brändchen" in der Bedeutung "kleines Feuer" (siehe auch unter "Knellsche")

 

Broodgrumbeere - Bratkartoffeln

 

dabber (oder dapper) = schnell; kommt von tapfer

 

Dengmert - St. Ingbert

 

dummele (sisch) - sich beeeilen (Mundartvariante zu "sich tummeln")

 

eschdamiere - schätzen, achten, ehren (vom französischen estimer)

 

Fissääl - Bindfaden, Schnur, Kordel (von Französisch: ficelle)

 

Fregg - Er hat die Fregg: er ist stark erkältet (hängt mit "verrecken" zusammen)

 

Freggerd - im Pfälzischen Wörterbuch "Freckert" geschrieben, stammt von "Verrecker" ab und bezeichnet ursprünglich einen kränklichen, unansehnlichen Menschen, aber auch (als Schimpfwort) einen feigen Menschen. In der Saarbrücker Mundart verwendet man Freggerd für einen Lausbub oder einen sehr frechen Jungen. Das Wort soll aber nicht etwa von "frech" abgeleitet sein, sondern wohl (wie "die Fregg") ebenfalls von "verrecken". (Danke an Evelyn Treib für die Info!)

 

Frippsche - Gerhard Bungert schreibt in seinem Wörterbuch "Saarländisch", dass dies ein eingebildeter Mensch war. Ich kenne den Ausdruck aber aus den 50er-Jahren als Bezeichnung durch Nichtgymnasiasten für e Bub, wo domools uffs Gümmi (Gymnasium) gang is.

In mundartsprachlichen Wörterbüchern anderer Gegenden wird "e Fribbsche" als ein "leichtes" oder ein "frühreifes Mädchen" erklärt.

 

Galljer - Hosenträger

 

Geheischnis: Nestwärme; sozialer Bereich, in dem man sich wohl fühlt (Familie, Stammkneipe usw.); ein Gefühl, das sich einstellt, wenn man sich angenommen fühlt. - Edith Braun schrieb in ihrer Kolumne "Unsere Mundart" in der SZ vom 31.8.2013: "Es bedeutet so viel wie Trost, Schutz, Vertrauen, Geborgenheit, Zuwendung und Gemütlichkeit in einem Begriff zusammengenommen."

 

giwwelgäwwisch - sehr großzügig, sehr freigiebig

 

graadselääds - trozdem; und jetzt erst recht!

 

Grumbeere (wörtlich "Grundbirnen"): Kartoffeln

 

Hewwel - ungehobelter Mensch (wahrscheinlich von Hobel abgeleitet, müsste daher eigentlich "Howwel" heißen; so saad awwer kenner....)

 

Kaldnaggisch - Herrensohr (heute ein Stadtteil von Saarbrücken innerhalb des Stadtbezirks Dudweiler) - wird laut Wikipedia so genannt wegen der kahlen Rodungsfläche, auf der es erbaut wurde.

 

Kadderschulljehs-Daach - Saarländische Aussprache des französischen Nationalfeiertags "Quatorze juillet" (14 Juli), der ja auch in unserem Land während der Saarstaat-Zeit gesetzlicher Feiertag war (aber nur in den Jahren 1947, 48 und 49 - siehe auf unserer Seite "Saargeschichte" ganz unten; ein Foto von der damaligen Feier in Saarlouis zum 14. Juli ist auf unserer Seite Grandval am Ende von Abschnitt B zu sehen).

 

Kerschdscher - geröstete Brotwürfel; frz.: croutons

 

Knellsche (oder Knöllje) - Knöllchen ("kleine Knolle", Verballhornung von "Protokoll" - Verwarnungsgeld für kleine Verkehrssünden) - siehe auch oben unter Brennje.

 

Kolleglausches (Kohlenklau-Spiel): Edith Braun schrieb in ihrer Kolumne "Unsere Mundart" in der SZ vom 31.8.2013 über ein Kinderspiel, das früher als "Kolleglausches" bekannt war. In ihrer Erläuterung dazu vermutet sie, dass das Spiel nach dem Krieg erfunden wurde, als Erwachsene und Kinder sich lebensnotwendige Kohlen aus den Waggons der Güterzüge stahlen. Eine weitere Methode zur Kohlenbeschaffung durch Kinder beschreibt auch Annemarie P. auf unserer Seite Erinnerungen der Ald Schwaduddel, dort unter der Überschrift Kohlensammeln durch Spucken und Pieseln (die 7. Geschichte).

 

Maggi-Schdobbe - Junge (oder Mann) mit roten Haaren (wird wohl seltener für weibliche Wesen gebraucht). Wer die im Saarland so beliebte Küchenwürze Maggi kennt (siehe auch auf unserer Seite Saarländische Produkte unter "Maggi"!), weiß, dass diese schon immer in Flaschen mit rotem "Stopfen" (Drehverschluss) an ihrem "Kopfende" verkauft wurde.

 

Piensje - jemand (oft ein Kind), der (gesundheitlich) sehr empfindlich ist, oder der viel quängelt oder sehr wehleidig ist.

 

Rieb (Rübe) - damit ist der Kopf gemeint. "Isch oder hau der ännie uff die Rieb!" (ännie = eine)

 

Reich - "Mir fahre ins Reich": wir fahren in die Bundesrepublik.

 

sääsche - urinieren; siehe auch oben unter Bettsääscher!

 

Schängelsche

           1) verballhornte Verkleinerungsform des französischen Namens Jean (der kleine Jean)

           2) Luxemburger, wohl nach der Verkleinerungsform zum luxemburgischen Großherzog Jean (in d. Landessprache: Schang)

 

Scheesewähnsche - Kinderwagen (Verbindung des zu "Scheese"' verballhornten französischen "la chaise" (Stuhl, aber auch: ausgedientes, altes Fahrzeug) mit dem saarländischen Ausdruck Wähnsche (für "Wägelchen")

 

sellemòòls - damals, ehemals, seinerzeit. Interessanterweise hat auch in Unterfranken das Wort 'sellemols' die Bedeutung "seinerzeit" oder "damals". Der darin enthaltene Wortteil 'sell'  bedeutet "das weiter Entfernte" oder "Dasjenige" - Edith Braun erklärte in ihrer Kolumne (SZ vom 14.6.2014), dass "sellemòòls" eine Mundartform für "selbigen Males" sei, und "selbig" auf mhd. selbic (= derselbe) zurückgehe.

 

Waggese  a) Wackersteine, Stolpersteine: Do hann soviel Waggese im Wää gelää....

                 b) Ausdruck der Saarländer und Pfälzer für Lothringer und Elsässer. In der Gegend um Aachen meint man damit die Belgier.

 

 

4) Mundarttexte:

 

 

a) Bild rechts: Hat der globale

    Klimawandel schon 1953 im

    Saarland begonnen?

 

In der Illustrierten "Der illustrierte Saarfreund", Ausgabe vom 15. Dezember 1953, beschwert sich ein

Leser (oder Redakteur?) in saarländischer Mundart über das total verdrehte Wetter im Saarland.

 

Über JoHo schimpft er auch ein bisschen, und ganz am Schluss

beschreibt er den schwarzen "Regen" in der Hüttenstadt Neunkirchen:

 

---------------------------------------

 

 

b) Zwei Mundartgedichte, die uns

eine Besucherin geschickt hat

(vielen Dank an Gisela Radicke):

 

Schwacher Trost

 

Annemariesche,

wenn ich disch kriesche,

dann kannsche hingge

uff äänem Schingge.

Dann kummsche ins Brääbacher

                                     Granggehaus.

Dort wersche obberierd

unn mit Salb verschmierd.

Dann kummd de Kirschekoor

unn singgd da e Liedsche vòòr.  

 

 

Nähmaschine statt Fahrrad fürs Kind

 

Hasche was gesaad?

Kaaf demm Kind kää Rad.

Fahrds um de Egge rum,

bums, dò iss die Lenkschdang grumm.

Kaaf demm Kind e Nähmaschien,

dann kanns duddele unn falld nidd hien.

 


 

 

5) Buchbesprechung und Textbeispiel: Georg Fox: Saa, was de willschd.

 

Dieses Buch enthält 45 Texte und Geschichtchen in saarländischer Mundart. Ein Beispiel können Sie oben unter 2a) lesen und/oder sich anhören.

 

Der Zeichner und Grafiker Georg Fox malt Skizzen und Aquarelle mit Bezug zum Saarland. Als Schriftsteller und Mundartautor schreibt er Texte in Hochdeutsch und rheinfränkischer Mundart und hat zahlreiche Sendungen von SR3 gestaltet. Georg Fox wurde 1949 in Saarbrücken geboren, wuchs in Rockershausen auf und lebt seit vielen Jahren in Köllerbach. Er war bis 2014 Schulleiter an der Erich-Kästner-Grundschule in Holz.

 

In seinen grafischen und literarischen Werken gelingt es dem präzisen Beobachter, die Saarländer verständnisvoll (er ist ja schließlich selber einer!), hintergründig und mit versteckter Ironie so zu beschreiben, wie sie sind und wie sie sich verhalten. Durch zahlreiche Preise wurden die Texte von Georg Fox gewürdigt: Goldener Schnawwel von SR3, erster Preis für Mundart in Dannstadt, Auszeichnungen beim Bockenheimer Dichterwettstreit, Literaturpreis des Landkreises Neunkirchen, Kulturpreis des ehemaligen Stadtverbandes Saarbrücken.

 

Von 2005 an schrieb Fox Kolumnen in der Saarbrücker Zeitung, die dort abwechselnd mit den Texten von fünf seiner Schriftstellerkollegen abgedruckt wurden. Seine Mundartbeiträge hatten ein breites Themenfeld und reichten von der Frage nach der Heimat ("Wo find mer die Heimat?") über Bereiche der saarländischen Festkultur ("Vill Geschiss aan Faasend") bis hin zu Berührungspunkten in die obersten Chefetagen des Landes ("Vum Scharlodd die Dseid gebodd"). 45 Texte, die Fox für diese Kolumnen geschrieben hat, veröffentlichte er in seinem Buch "Saa, was de willschd". Darin zeigt er die sprachliche Vielfalt des Landes auf und erläuterte in den bunten Farben der Regionalsprache, warum es ein besonderer Vorzug und ein Glück ist, im Saarland leben zu dürfen.

 

Fox, Georg. Saa, was de willschd - Mundart-Kolumnen. 96 Seiten, Paperback, mit Karikaturen von Raphaela Jung. PVS-Edition Heusweiler, ISBN: 978-3-937811-08-6. Preis: 9,90 Euro

 

In ihrem Vorwort zu diesem Buch schrieb die Mundart-Expertin Dr. Edith Braun u.a.:

 

"Dass Georg Fox sein Handwerk versteht wie kaum ein Zweiter, hat er schon in seinen früheren Büchern bewiesen, und die Geschichten in diesem Buch beweisen aufs Neue, dass auch ein Mundartschriftsteller die verschiedensten literarischen Genres beherrschen kann. Und dabei gelingt es Fox immer wieder, Themen zu finden, die auf unterhaltsame Weise das Interesse des Lesers wecken, ganz gleich, ob er existenzielle Dinge reflektiert, wie in "Ääner wie der Anner", ob er als nachdenklicher Chronist bestimmte Zeiterscheinungen schildert wie in "Kunschd fier Koschdniggs", ob er erzählerisch plaudert wie in "Fròò nidd sevill!", ob er spielerische Betrachtungen über seine Mundart anstellt wie in "Schwäddse fier se schwäddse!" oder ob er in seinen Satiren augenzwinkernd vom Leder zieht wie in "Gudd gebuddsd!"

 

(Foto: R. Freyer)

 

Aus diesem Buch von Georg Fox entnehmen wir mit der Genehmigung des Autors die folgende kleine Geschichte über eine saarländische Familie, die in den 50er-Jahren neben einer französischen Familie wohnte.

Hinweis zur Schreibung: ds steht für die saarländische Aussprache des z, und ò bedeutet: offenes o (wie in "Stoff").

Sie können sich diese Geschichte auch hier von dem Autor vorlesen lassen: Klicken Sie bitte auf das Lautsprechersymbol: und warten Sie kurz. (Anmerkung: Der gesprochene Text enthält einige zusätzliche Textstellen, die nicht in der unten wiedergegebenen schriftlichen Version enthalten sind.)

 

Das muss dòòmòòls in der Fransoosedseid vum „Saargebiet“ gewään sinn, woo noch nääwens vun unserm Heisje e franseesisch Fammilje in em groose Gruuwehaus gewohnd hadd. De Musjee hadd uffer gudd Schdell bei der Gruub geschaffd, unn die Maddamm hadd e glääner Buub gehadd, denne se immer Schaggi geruuf hadd.

 

Äänes Daachs hadd misch de Musjee geruuf unn hadd dsuu mer gesaad, wann isch wolld, kinnd isch mer e paar Fränsjer verdiene, wann isch mid em Schaggi de Keller vun de Weinflasche lääre unn die mò im Hoof abwäsche unn sammele. Am Enn vun der Wuch kääm de Flaschehännler unn mier grääde fier jeedi Flasch dsehn Frangge. Das waar dòòmòòls vill Geld. Dsehn Frangge hadd schunn e Bällsche Eis koschd unn em Schaggi sei Vadder hadd vill lääre Flasche im Keller leie gehadd. Isch hann dsem Schaggi gesaad, das kännde mer gleisch mòòrje gudd mache unn de Musjee waar schdols, dass mier gleisch debei gewään sinn. Veleischd waars awwer aa so, weiler gedenggd hadd, dass mier danne nidd so vill uff seim Kirschebaam unn in seim Eerdbeerfeld bligge gääde.

 

Mier hann danne am näägschde Mòòrje aangefang, Kischde unn Kaschde mid lääre Flasche ausem Keller dse draan, unn inrer Bidd sinn die ganse Flasche gewäsch genn. Wie mier de Middach de Keller gereimd gehadd hann, dò hann mier genau dreihunnerdviereachdsisch lääre Flasche schdehn gehadd.  Awwer wie de Schaggi unn isch danne gesiehn hann, wie nah mier aan der Vierhunnerd gewään sinn, hann isch gesaad, ei das wäär jò dsem Dunnerliddsche, wann mer nidd im Keller die paar Flasche uffdreiwe dääde. Mier sinn danne dursch de ganse Keller geschdreifd, awwer mier hann niggs gefunn, nuur e paar Reggaale voll mid Baddoowein, wo em Schaggi sei Mudder sowwieso schunn geschull hädd, dass de Musjee dse vill dringge dääd. Mier hann ääwe gedenggd, dass mer die Vierhunnerd uffem Hoof dann doch noch mid figgs ausgeläärde Baddoo-Flasche voll grien.

 

Wie de Musjee hemmkumm iss, hadder gleisch geroch, was dò in seim Keller in de Gulli geschudd genn iss. Dò hadder em Schaggi hinner die Läffele gebb, unn isch sinn noch gudd wegg kumm, weil de Musjee geschrie hadd, isch solld nuur mache, dass isch furdkumme.

 

Dehemm hadd mei Mudder gefròòd, was isch danne gridd hädd. Isch hann dò gesaad, es hädd niggs genn, awwer mier hädde die Vierhunnerd voll gemach. Dò hadd mei Mudder gesaad, so wääre se ääwe, die Fransoose, geidsisch wie sunschd noch ebbes. Dò hadd se mer fuchdsisch Frangge geschengd wääe meim gudde Herds. Das waar mer danne awwer eischendlisch aa nidd so reschd gewään, isch hann awwer niggs gesaad.

 

Kaum e Jòhr schbääder hann die Saarlänner gewähld unn sinn dsu Deidschland serigg kumm, unn de Musjee unn die Maddamm unn de Schaggi sinn nòò Frangreisch gedsòò. Se hann sisch noch niddemò verabschied odder die nei Address gesaad. Isch hann de Musjee nuur hinnerm Haus gesiehn, wierer sei leddschder Baddoowein selwerd ausem Keller gedraa hadd.

 


 

Literaturhinweise zu den saarländischen Mundarten:

 

Gerhard Bungert: Saarländisch  -  So schwätze unn so schreiwe mir. Wortschatz - Sprachgeschichte - Grammatik - Schreibweise

Illustriert von Bernd Kissel. 760 Seiten über das Saarländische - Das umfangreichste Buch über die Sprache im Saarland, zum Nachgucken, Lesen, Lernen und Schmökern. Hardcover, 760 Seiten, 69 Illustrationen. Format: 14 x 21 cm. ISBN: 978-3-946036-51-7

Geistkirch-Verlag, Lerchenweg 18, 66121 Saarbrücken.

 

Edith Braun, Max Mangold. Saarbrücker Wörterbuch. Saarbrücker Druckerei und Verlag. Saarbrücken, 1984.

Edith Braun hat auch Mundart-Wörterbücher von Lebach (1995), St. Ingbert (1997), Saarlouis (1999) und Quierschied (2002) sowie zahlreiche weitere auf die saarländischen Mundarten bezogene Bücher herausgebracht. Und sie gestaltete viele Jahre lang eine wöchentliche Mundart- Kolumne in der Samstagsausgabe der Saarbrücker Zeitung unter dem Titel "Unsere Mundart".

Edith Braun, Evelyn Treib. Keine Fisimatenten - Französische Wörter in saarländischen Mundarten. Gollenstein Verlag, Merzig 2008.

Edith Braun, Evelyn Treib. Necknamen und Schimpfnamen saarländischer Orte. Eigenverlag Edith Braun. Saarbrücken, 2007.

Karl Conrath, Max Mangold: Mettlacher Wörterbuch (Phonetica Saraviensia 14). Saarbrücken 1994.

Kathrin Jacob. Putschebliemsche & Co. Stirbt der Dialekt? Die Entwicklung dialekttypischer Wörter im Neunkircher Dialekt von 1950 bis 2001. Conte-Verlag. Saarbrücken, 2003.

Wilhelm Will. Saarländische Sprachgeschichte. Saarbrücker Druckerei und Verlag. Saarbrücken, 2. Auflage 1979.

 

Nützliche Links:

 

http://www.mundart-saarland.de/mundart-region.php - Geschichte und Bestandsaufnahme der Mundarten im Saarland, Lothringen / Luxemburg / Pfalz

 

Saarländisches Wörterbuch auf "Stefans Internetseiten" von Stefan Oemisch: - enthält zahlreiche Mundartausdrücke in "Saarbrigger Platt" mit Erläuterungen: http://www.stefan-im-www.de/Saar-Dateien/Saarbrigger%20Platt%20mit%20Frame.htm

 

http://www.ensheim-saar.de/ews04.htm -  Interessante und ausführliche Dokumentation von Paul Glass über die Ensheimer Mundart;

u. a. über das dort vorhandene und ziemlich seltene Sprachphänomen des Lambdazismus; sie enthält auch ein ausführliches Lexikon der Ensheimer Mundart.

 

http://walschu.de/ - Ein kleines Wörterbuch mit Ausdrücken aus der Webenheimer Mundart ("Wäma Platt"), die zum großen Teil auch in anderen rheinfränkischen Saar-Mundarten gebräuchlich sind, z.B.: Affezibbel, Buddig, Latzegalli, dussma, Emetze, Freggad, Gligga usw.

 

Die HeinzPage: http://www.heinz-becker.de/

 

http://www.eckertpeter.de/index_47.htm - Der Mundart-Wörterladen von Peter Eckert, Wadgassen-Differten.

 

www.saarland-lexikon.de: Diese Webseite ist seit einigen Jahren leider nicht mehr zu erreichen. Das Kapitel "Sprache und Sprüche" enthielt ein umfangreiches saarländisches Wörterbuch. Die meisten Einträge waren von Gerhard Bungert. Diese sind jetzt u.v.a. in seinem neuen Buch "Saarländisch - so schwätze unn so schreiwe mir" veröffentlicht worden (siehe auf unserer Bücher-Seite!)

 


Diese Seite wurde erstellt am 11.10.2011 und zuletzt bearbeitet am 13.12.2020      

 

 

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